Der Neuburger Liederkranz schafft eine sanft anziehende Klangkulisse

Zum Palmsonntag gestaltet der Neuburger Liederkranz ein bemerkenswertes Konzert. Der Chor zieht die Besucher in eine ganz eigene Welt.


Von Peter Abspacher

Neuburg (NR) Es mag gewagt erscheinen, bei einer Messe – also vertonter Liturgie – zum Beginn der Karwoche von Sound zu sprechen. Für die „Mass“ des US-Komponisten und Jazz-Pianisten Steve Dobrogosz darf dieser Begriff aber gelten. Mit den ersten Takten des Kyrie öffnet sich ein geheimnisvoll-dichter und harmonisch komplexer Sound des Chores, der die Zuhörer mit sanfter Gewalt in eine ganz eigene Welt hineinzieht.

In der Dobrogosz-Mass verschmelzen Elemente des Jazz, von Michael Beck am E-Piano rhythmisch perfekt und mit einem eleganten Drive präsentiert, mit dem dichten Streicherklang des Orchesters Dieter Sauer aus Pfaffenhofen und dem konzentrierten Chorgesang des Liederkranzes. Fragmente aus den Orchestermessen, die man als Besucher von Festgottesdiensten kennt, klingen von Ferne herüber, der Gesamtcharakter aber ist vom Schwung (latein-)amerikanischer Musikkultur geprägt, von ungewohnten Harmonien und von einer Chorkultur, die von der suggestiven Kraft des Unisono und der Emotion lebt.

Martin Göbel hat seinen Liederkranz auf diese Aufgabe sehr gut vorbereitet. Frauen- wie Männerstimmen intonieren durchweg sauber und motiviert – gerade Dissonanzen müssen sauber gesungen werden, sonst klingen sie sozusagen „richtig falsch“. Der Chor kostet die harmonischen Reibungen aus, statt sich vor ihnen zu fürchten. In der „Mass“ hat der Chor oft längere A-cappella-Partien zu gestalten, ehe dann das E-Piano wieder einsetzt. In diesen Momenten würde man es unweigerlich merken, falls die Sängerinnen und Sänger gesunken wären. Nur an einer einzigen Stelle war das ein klein wenig der Fall. Ein Zeichen dafür, dass alle mit innerer Spannung zu Werke gingen.

So gelingen Martin Göbel und dem Liederkranz bewegende Momente. Das Gloria zum Beispiel, ganz anders als die jubelnden Gloria-Sätze „normaler“ Orchestermessen. Versonnen, fast rezitativ mit samtenem Unisono und klarer Artikulation. Oder die „Miserere“-Bitten im Agnus Dei – dieser Ruf nach Erbarmen geht unter die Haut und ans Herz.

Die Studienkirche hat die beste Orgel im weiten Umkreis. Was auf dieser Königin der Instrumente möglich ist, zeigte Michael Beck mit dem Präludium und der Fuge in Es-Dur von J. S. Bach mehr als eindrucksvoll. Mit vollem Werk ebenso wie in der sehr transparenten Gestaltung der einzelnen Linien in der groß angelegten Fuge. Es macht einfach Freude, den musikalischen Reichtum dieser Bach-Komposition in all ihren Motiven und Variationen derart plastisch zu hören.

Von Peter Abspacher – Neuburger Rundschau vom 04.04.2023