Als Verein zeitweise verboten

Neuburger Liederkranz feiert 175-jähriges Bestehen mit „Nelson-Messe“

Vortrag im Saal der Rennbahn nach dem Konzert
Der Chor des Liederkranzes sang im Saal der Rennbahn, in dem der Verein sein 175-jähriges Bestehen feierte.

DK, Freitag, 6. November 2022

Von Rainer Hamp

„Vor so einer Kulisse habe ich auch noch keinen Gottesdienst gehalten“, meinte Stadtpfarrer Herbert Kohler am Samstag in der Neuburger Heilig-Geist-Kirche. Dort feierte der Neuburger Liederkranz vor voll besetzten Kirchenstühlen sein 175-jähriges Bestehen.

Mitgewirkt haben dabei etwa 60 Musiker. Vorgetragen wurde die sogenannte „Nelson-Messe“ von Joseph Haydn (1732 – 1809). Eigentlich heißt sie ja „Missa in angustiis“, also Messe in Bedrängnis. Haydn komponierte sie 1798 für den Fürsten Esterházy. Der soll damals, einer Legende nach, vom britischen Admiral Nelson besucht worden sein, dem zu Ehren die Messe aufgeführt worden sein soll.

Etwa 60 Musiker sangen die „Nelson-Messe“ von Joseph Haydn in der Heilig-Geist-Kirche, darunter Tenor David Munzinger.

In der Kirche sang die Messe der Chor des Liederkranzes. Er wurde unterstützt von altbewährten Partnern, so vom Streichorchester Dieter Sauter aus Pfaffenhofen und von Bläsern aus der Region. Dirigiert wurden Chor und Orchester vom musikalischen Leiter des Chors, Martin Göbel. Vom Altarraum aus erfüllten die Musiker bei einem Festgottesdienst den Kirchenraum mit gewaltigen Klängen. Als Solisten glänzten Alexander Haninger (Bass), David Munzinger (Tenor), Katrin Mitko (Alt) sowie Brigitte Clemens und Petra Gauß-Nikel (Sopran).

Im 19. Jahrhundert verboten

In seiner Ansprache untersuchte Pfarrer Herbert Kohler die Bedeutung des Wortes „Kranz“. Nach seinen Recherchen stammt es aus dem Althochdeutschen und bedeutet so viel wie umfangen, umschlingen, einkränzen. „Nehmen Sie das als Motto für eine starke Schlinge, das den Verein im Sinne eines freien Geistes verbindet“, meinte Kohler, der anschließend einen bunten Kranz an den Verein übergab.

Der 1847 gegründete Liederkranz sei, so Kohler, unter der Feudalherrschaft im 19. Jahrhundert wegen des Singens von Freiheitsliedern verboten worden. In dem Zusammenhang ging er auch auf die derzeitige Situation der Kirche ein, die einen neuen Geist brauche, wobei auch die Frauen stärker berücksichtigt werden müssten.

Schließlich stellte er den neuen Kaplan Anton Chu van Nhat vor, der für ein Jahr aus Vietnam nach Neuburg gekommen ist. Nach dem Gottesdienst versammelten sich rund 80 geladene Gäste im Vereinslokal Rennbahn. Vereinsvorsitzender Bernhard Fürleger zeigte sich erfreut darüber, dass nach fast drei Jahren endlich wieder ein öffentlicher Auftritt möglich geworden war, rechtzeitig zum 175. Gründungsjubiläum des Vereins, der nach dem Historischen Verein der zweitälteste in Neuburg ist. Die Pandemie habe, so Fürleger, andernorts zu einem Chorsterben geführt. Der Liederkranz habe glücklicherweise keinen Schwund erleiden müssen.

Der Vorsitzende bedankte sich bei Pfarrer Herbert Kohler, dem Dekan Nhat, bei allen mitwirkenden Musikerinnen und Musikern, dem Dirigenten Martin Göbel und dem ehemaligen Dirigenten Michael Beck, der an der Kirchenorgel spielte. Er beglückwünschte seinen Vorgänger Albert Basel, der inzwischen seit 60 Jahren Mitglied des Liederkranzes ist und damit mehr als ein Drittel der Zeit des Bestehens des Vereins. Basel seinerseits beschrieb die kuriose Geschichte der beiden Vereinsfahnen, die im Saal der Rennbahn zu sehen waren.

Die erste Fahne von 1847 sei zu bescheiden gewesen, so dass man fünf Jahre später eine zweite erstellen ließ. Die Fahnen sind vor 30 Jahren restauriert worden und stehen jetzt in der Hofkirche. In Vertretung von OB Bernhard Gmehling überbrachte Kulturreferentin Gabriele Kaps (CSU) die Glückwünsche der Stadt Neuburg, zusammen mit einem Scheck über 350 Euro. In ihrem Grußwort streifte sie durch die Geschichte des Vereins, der sie schon in ihrer Kindheit begleitet habe.

Immer wieder Krisen überstanden

Kulturreferentin Gabriele Kaps überreicht an den Vorsitzenden Bernhard Fürleger einen Scheck der Stadt.

Als Sängerin ist sie heute selber Mitglied des Chors. Der Titel „Messe in Bedrängnis“ sei derzeit durchaus angebracht. Die Corona-Pandemie habe gemeinschaftliches Singen unmöglich gemacht und weitere Krisen brächten die Menschen derzeit in Bedrängnis. Auch die Zeit der Vereinsgründung sei turbulent und bedrängend gewesen, geprägt von der Märzrevolution 1848, Hunger und den sozialen Nöten der Unterschicht durch die industrielle Entwicklung. „Und doch haben Neuburger damals einen Gesangsverein gegründet“, so Kaps. Kultur sei eben eine Kraft, ein Kitt, der die Gesellschaft zusammenhalten könne.

Der Vertreter des Bayerischen Sängerbundes Simon Zeitler äußerte seinen Respekt für die Chorleistung in der Kirche. Und schließlich brachte Jakob-Michael Schmid als Vertreter des Neuburger Madrigalchors seinen Glückwunsch zum Ausdruck. Er zitierte den Philosophen Friedrich Nietzsche: „Ohne Musik ist das Leben ein Irrtum“.

Text / Fotos: Rainer Hamp (DK)